Südafrika Place to be und Deslin
Einen Monat später als geplant sind wir nun in Hermanus. In der Osterzeit waren die Flüge bedeutend teurer, was uns zur Entscheidung gebracht hat, im April zu fliegen. Dies sehr zu unserem Nachteil, denn der Herbst ist bereits eingebrochen, wir frieren....😅.
Aber wir sind ja nicht hier, um am Strand zu liegen, sondern um zu arbeiten.
Leider war ich die ersten Tage mal wieder krank und somit nur reduziert im Einsatz. Werner hat im Projekt "Place to be" sofort begonnen den Boden zu reparieren, das Dach von Innen zuzumachen, damit die Wärme im Winter besser drinnen bleibt. Wir haben einen neuen Boden gekauft, was wirklich dringend notwendig war, diese dünnen Tischtücher, die wir verwendet haben als Bodenbelag, halten die 40 Kinder täglich nicht aus. Nun gibt’s einen starken Vinylboden, innen und aussen, im gedeckten Bereich💯🥳🤩.
Am Freitag war die Modelshow, unsere Teacher, allen voran Sorya, haben das ganz allein organisiert. Es war unglaublich. Rund 50 Kinder im Alter von 4 – 16 Jahren nahmen teil und standen auf der Bühne. Für die einen ging ein ganz grosser Traum in Erfüllung, das erste Mal on Stage. 2 unserer Power-Girls gewannen, beide sind sie sofort in Tränen ausgebrochen, so sehr freuten sie sich.
Auch Rebekka aus Deutschland ist vor Ort, sie verbringt viel Zeit mit den Kindern und mit Zuhören. Zudem hilft sie den Teachern mit den Kindern. Es ist gut nicht immer alles allein entscheiden und tragen zu müssen ❤️.
Die Halle, die sie selbst gemietet und bezahlt haben, bot den rund 200 Zuschauern genügend Platz. Die Eltern bejubelten die Kinder, die Kinder erfreuten sich natürlich darüber. Die Gewinner/innen erhielten eine Krone, eine Schleife und einen Gewinnerpreis, den wir sponserten😍🏅.
Für Sorya war das Wichtigste, dass sie das ganz allein stemmen, ohne unsere finanzielle Unterstützung (sie will Rita stolz machen, so ihre Worte). So hat sie kurzerhand Teacher Alison gefragt, ob sie mit ihr zusammen einen Take-away Foodstand machen könnten. Sie legten ihr privates Geld zusammen, kauften ein und verkauften frisch gekochtes Essen. Mit dem Gewinn kauften sie weiter ein, kochten und verkauften. Dies bis die Hallenmiete in der Höhe von 760 ZAR (ca. 40 CHF/€) beisammen hatten 🧡. Und ja, ich bin unheimlich stolz auf sie🥰.
Alle haben sie zusammengearbeitet und einander geholfen, wo immer sie konnten. Es war ein erfolgreicher Abend. Am Event-Abend selbst haben sie Essen und Getränke verkauft, Eintritt verlangt (20 ZAR für Erwachsene, 10 ZAR für Kinder – 1€ für Erwachsene, 0,50 € für Kinder). Der Gesamtumsatz beläuft sich auf 3600 ZAR (ca. 180 €). Dieses Geld werden sie im Projekt Place to be investieren, wenn sie was brauchen 😊 sie machen mich wirklich stolz💙.
place to be
Einmal sagte ich ihnen, in 5 Jahren werde ich nicht mehr für sie da sein, da werde ich nur noch als Besucher vorbeikommen. Ich denke das hat sie ein wenig wachgerüttelt. Das Ziel ist ja wirklich, dass sie sich zumindest im Projekt selbständig machen, was Verpflegung, Strom usw. anbelangt. Natürlich werden wir weiterhin die Studiengebühren übernehmen, soviel Geld werden sie nicht zusammenbringen. Aber der Rest sollte mit der Zeit ein Selbstläufer werden.
Zwischen den Teachern brodelt es, um die Situation hier milde auszudrücken. Jede beschwert sich über jede, jede hat das Gefühl die andere sei bevorzugt, alle kontrollieren sie einander, so gibt es auch für mich einiges zu tun. Das erste Meeting hatten wir bereits, da konnten sie mir mal ihr Leid klagen, heute findet das zweite Meeting statt. Da geht es darum, ein gemeinsames Commitment zu erarbeiten, sodass alle das gleiche Verständnis haben und wissen, was das Ziel unseres Tuns ist.
Ich erhoffe mir, etwas Ruhe reinzubringen und die Verantwortlichkeiten gut und fair aufzuteilen. Bis anhin waren Sorya und Crezelda verantwortlich für das gesamte Geschehen, dies wird nun auf mehrere Schultern aufgeteilt.
Deslin
Nun möchte ich euch von Deslin erzählen. Deslin ist die älteste Tochter von Sorya, sie hat sie mit in die Ehe gebracht. Deslin selbst ist 19 Jahre alt und Mama von einer 5-jähringen Tochter. Deslin ist seit 1 ½ Jahren drogenabhängig. Ich lernte sie vor 2 Jahren noch clean kennen, sie half ihrer Mama in der Suppenküche. Beruflich und privat hatte sie keine Perspektive, sie hat durch das junge Mama-sein keinen Schulabschluss und lebte zuhause bei ihren Eltern. Eine Sackgasse.
Eines Tages lernte sie einen Jungen kennen, zog kurzerhand zu ihm und verfiel mit ihm zusammen in die Drogenwelt. CristalMeth und MensDrogs. Der junge Mann verlor seine Beine, während er versuchte, Strom zu stehlen, er wurde von einem Stromschlag getroffen. Deslin fühlt sich von nun an für ihn und sein Schicksal verantwortlich. 'Immer wieder kehrt sie in ihrer Verzweiflung in ihr Elternhaus zurück, bittet um Hilfe, bekommt Hilfe und enttäuscht ihre Eltern wieder, weil sie wieder zurück auf die Strasse geht. Ein endloses Hin und Her. Als ich im Februar 2023 hier war, versuchten wir bereits Deslin zu helfen. Wir boten eine Social-Workerin auf, diese versprach uns, sofort zu helfen und einen Platz für Deslin in einer Klinik zu besorgen. Sie gab uns eine Liste, was Deslin alles mitzubringen hat in die Klinik. Wir kauften alles und bereiteten sie auf den Klinikaufenthalt vor. Ich berichtete im Blog letztes Jahr. Das traurige ist, sie wartet noch heute. Niemand kam, obwohl Sorya immer wieder nachgefragt hat. Hier hat ein Menschenleben leider keinen Wert. Lebst du oder stirbst du, egal.
Sorya erzählte mir nun, ihr Mann Heini verbietet Deslin nach Hause zu kommen. Wegen der 4 jüngeren Geschwister und weil sie ihre Familie immer wieder enttäuscht, belogen und bestohlen hat. Ich verstehe sehr gut was hier passiert, eigentlich hat er recht, nur Sorya hält das kaum aus. Deslin kommt ans Gate und ruft sie hätte Hunger, aber sie darf nicht rein. Sorya ist mittendrin. Auch sie weiss, dass sie Deslin nicht wirklich helfen kann. Deslin braucht professionelle Hilfe, sie steckt tief im Drogensumpf fest.
Als ich Deslin am vergangenen Freitag das erste Mal sah, erschrak ich. Sie sieht echt schlimm aus, völlig ausgehungert und verwahrlost. Sie nahm meine Hände und sagte, Rita, bitte hilf mir, nimm mich mit zu dir nach Hause. Ich kann nicht mehr. Ich komme hier nicht weg von den Drogen. Selbst wenn ich zu meiner Familie nach Hause gehe, rundherum nehmen sie Drogen, rufen nach mir, dann schaffe ich das nicht.
Ich kann auch sie verstehen. Sie ist krank, abhängig, sie braucht professionelle Hilfe. Ich fragte sie, ob sie bereit sei für einen Entzug. Sie sagte, sie möchte unbedingt weg von den Drogen, sie möchte frei sein, sie möchte Mama sein. Ihre Tochter lebt bei ihrer Oma, aber sie soll bei ihrer Mama aufwachsen. Und sie soll sie nicht so sehen.
Ich begann mich zu erkundigen, was wir tun können. Wir gingen zum SocialDepartment. Die Dame sagte, sie wird uns anrufen, sobald sie einen Platz frei hätten. Die gleiche Geschichte, die wir schon hatten. Ich sagte ihr das sei keine Option, wir brauchen JETZT Hilfe. Sie sagte, dann müsst ihr zahlen. 20,000 ZAR (1000 €) für 5 Wochen. Länger dauere dieses Programm in einer Klinik in der Umgebung nicht. Danach wird sie nach Hause geschickt, einmal pro Woche wird jemand nach ihr sehen und ihr helfen, ihre Zukunft zu planen.
Was für ein Hohn, denke ich mir. Als ob das was bringen würde. Dann können wir das Geld gleich den Gulli runterspülen, das bringt genau gar nichts. 5 Wochen später in die gleiche Umgebung zurück, das wird sie nicht retten.
Wir recherchierten weiter. Und haben einen Platz gefunden. In Johannesburg, ich denke das ist gut, dass es so weit weg ist, dann gibt es nicht so rasch und so einfach einen Weg zurück für Deslin. Es ist eine christliche Organisation, die ersten 4 Monate darf sie nicht raus. Der erste Monat ohne Kontakt zu irgendwem, auch nicht zu ihren Eltern. Die Dame vom SocialDepartment meinte auch, das sei ein guter Ort, sie kenne einige, die „gesund“ wieder zurück kamen aus diesem Rehabilitationscenter. Das Programm dauert 9 Monate und kostet rund 3,000€.
Ich würde sie persönlich nach Johannesburg bringen. Die Verantwortlichen bestätigten, dass ein Platz frei ist für sie und dass es kein Entkommen gibt für Deslin wenn sie mal drin ist. Wenn ich sie reinbringe und sie tretet freiwillig ein, dann bin ich die Einzige, die sie nach 9 Monaten wieder rausholen kann. Sie kann sich auch nicht selbst entlassen, obwohl sie volljährig ist. Das ist Südafrika.
Die Betreuer/innen würden mich auf dem Laufenden halten, damit wir über ihre Entwicklung Bescheid wüssten.
Ich würde ihr sehr gerne helfen, aber am Ende seid ihr diejenigen, die darüber entscheidet. Darf ich sie nach Johannesburg bringen und versuchen, ihr Leben zu retten? Auch ich kann keine Garantie dafür abgeben, dass sie nicht wieder zurückfällt oder abhaut oder sonst was geschehen wird? Wie seht ihr das?
Ich bitte euch um eure Meinung, aber auch um eure Unterstützung. 3´000 € ist viel Geld, das ist mir bewusst, aber es wäre alles inklusive für 9 Monate, inkl. psychologischer, physischer Unterstützung und Betreuung. Auf der einen Seite viel Geld, auf der anderen Seite nichts im Vergleich zu einem Menschenleben, an dem vieles hängt. Was wird aus ihr, aus ihrer Tochter, aus ihrer Familie, aus Sorya und ihrer Suppenküche, wenn wir nichts tun? Wenn sie eines Tages aufgibt?
In diesem Kontext ebenfalls erwähnenswert, Sorya arbeitet in unserem Projekt "Place to be" komplett ehrenamtlich. Den Studentinnen bezahlen wir das Studium, Sorya und auch Heini, ihr Mann, arbeiten aus ihrer Berufung heraus. Vielleicht können wir ihr aus diesem Aspekt heraus indirekt helfen, indem wir ihrer Tochter helfen ❤️.
Wer mehr wissen möchte zur Organisation, wo wir sie hinbringen möchten, hier der Link zum Gründer, der selbst abhängig war und Mitarbeiter/innen beschäftigt, die auch abhängig waren: https://curtvanheerden.com/ die Organisation heisst Institution of Grace (IOG) es gibt sie seit 2015.
Ich melde mich wieder bei euch, sobald wir mit eurer Hilfe eine Entscheidung treffen konnten. Wenn ich sie bringen darf, muss das am Montag, 29. April geschehen, da ich nur noch bis 3. Mai in Südafrika sein werde.
Herzliche Grüsse an euch alle und DANKE für euer Mitgefühl und eure Bereitschaft, euch in diesen Artikel einzulesen❤️.